Für Dithmarschen wollte Hebbel tun, was Uhland für Schwaben getan hatte. Begeisterung für die Heimat hieß ihn, in einer Romanze die Schlacht bei Hemmingstedt zu besingen. Wer die Form dieses Gedichts beachtet, wird es trotz der Anlehnung an Uhlands "Graf Eberhard der Rauschebart" als eine für einen Neunzehnjährigen sehr achtungswerte Leistung bezeichnen müssen.
 
Die Schlacht bei Hemmingstedt
Väterländliche Romanze.
1.
"Was flackert rot die Mühle? Löscht doch den wilden Brand!"
Sie wurde angezündet von Eigentümers Hand.
"Wie rauschen wild die Wogen und stürzen jach daher!"
Sie sind uns hoch willkommen, die Mühle rief dem Meer!
"Was donnern die Kanonen, wo sonst nur Sensenklang;
Mit Sichelschall und Liedern vereint, die Luft durchdrang?
Was ist das für ein Pfeifen, was für ein Trommelschall?
Gehn wohl zur lust´gen Hochzeit die stolzen Bauern all´?"
Sie gehen nicht zur Hochzeit;die allerschönste Braut,
Die Freiheit, hat sich lange Dithmarschen angetraut;
Jetzt gilt es, sie zu schirmen; die übermüt´gen Herrn
Von Dänemark und Holstein, die raubten uns die gern.
Sie sind ins Land gezogen, an dreißigtausend Mann,
Meldorp mit seinen Dörfern dir mehr erzählen kann:
Die Stadt, die sonst vor allen vom Strom der Menschen voll,
Daß sie von starkem Handel und Wandel überquoll -
Die ist jetzt anzuschauen wie eine Schlachterbank,
Worauf manch blutig Opfer dem Tod darniedersank;
Doch jeden bangen Seufzer, der dort durchschnitt die Luft,
Soll heut sein Echo werden aus einer Dänengruft!
Hörst du den Sturmwind sausen? Er ruft: was weilest du!
Ich gehe; bist du fremd hier, so wand´re rüstig zu;
Bist aber du zu Hause, wo´s Recht und Freiheit gilt,
So zeuch dein Schwert und schreite mit mir ins Schlachtgefild!
 
2.
Zum blanken See zu werden droht schier die ganze Marsch;
Schnee fällt! es pfeift aus Norden der Wind so kalt und barsch;
Dreihundert nur verbirget die Hemmingstedter Schanz,
Doch ist´s von karschen Männern ein heldenreicher Kranz.
Und horch! Schon sind die Feinde, die mächt´gen nicht mehr weit,
Sie ziehen heran, die Scharen, in Pracht und Herrlichkeit!
Wie schallen die Drommeten! Hier hat man vor dem Drang
Der Schlacht - Lohn vor der Arbeit - den holden Siegesklang.
Zuerst die große Garde, gerig´res Fußvolk dann,
Und darauf zieht der Streiter gedrängter Zug heran.
Nun folgen viele Wagen und viele Schlitten gleich,
Die Beute drauf zu laden: Der Bauer ist ja reich!
Nimm dich in acht, o Bauer , die große Garde naht,
Die, wo sie immer kämpfte, stets überwunden hat!
Komm nur, du große Garde, der Bauer ist bereit,
Den Probstein sollst du finden für deine Tapferkeit!
Wer sprengt dem großen Zuge voll Übermut voran?
Das ist der Schlenz, der Jürgen, der freche Edelmann;
Er prahlt und höhnt hinüber: "Ist wer in euren Reihn,
Der´s wagt, mit mir zu kämpfen, so stelle er sich ein!"
Da tritt hervor ein Bauer, der wirft den Schlenz gemach,
Daß er muß liegen bleiben bis an den jüngsten Tag.
"Wer war der tapfre Bauer?" - Sein Nam´ wird nicht genannt;
Im Himmel gibt es einen, dem er gewiß bekannt.
Die Garde sieht mit Schrecken, daß Schlenz darniederliegt,
Die Bauern aber jauchzen: "Gott ist´s, der mit uns kriegt:
Ihr Dänen und ihr Holsten, ist unser Land auch klein -
Es wird doch für euch alle ein Grab zu haben sein!"
 
3.
Zum blanken See geworden ist nun die ganze Marsch;
Der Sturmwind pfeift aus Norden; er treibt den Schnee so barsch
Dem König und den Fürsten und Edeln ins Gesicht -
Daß es erlaucht, das wußte der dumme Wind wohl nicht.
Dithmarsische Kanonen verbreiten Schreck und Graus:
Der Däne will´s erwidern - Wind bläst die Lunten aus -
Wie seltsam! Dän´ und Holste vor Frost erstarren mag;
Die Bauern aber meinen, es sei ein Erntetag.
Sie brechen aus der Schanze, sie fallen in die Reihn
Der übervielen Feinde, Würgengeln ähnlich, ein:
Sie schwingen Ürt´ und Speere, sie schrein mit lauter Stimm´:
"Nimm dich in acht, o Garde der Bauer kommt voll Grimm!" -
"Ich sehe alle Männer und Jünglinge im Streit
Und hör´ doch, daß die Schanze stets ihre Kugeln speit?"
Wer die Kanonen ladet? Das wär´ dir wohl bekannt,
Wenn jemals du die Weiber gesehn in unserm Land.
Die Garde will entweichen; doch wie sie tritt zur Seit´,
Ist in den tiefen Gräben ihr schon das Grab bereit;
Der Bauer aber führet den Kluver in der Faust,
Mit dem er leicht und sicher die Gräben übersaust.
Das Fußvolk ist zerstoben, es naht die Reiterei.
"Stecht, Brüder, nur die Pferde und laßt die Reiter frei!"
So ruft mit starker Stimme der tapfre Isebrant,
Der seines Volkes Vorteil im Augenblick erkannt.
Wie prickeln sie die Tiere! Wie bäumen die sich wild
Und schleudern ihre Reiter herab auf das Gefild,
Und die sie nicht zertreten, verschlingt die kalte Flut,
Die heut als bester Streiter die größten Dienste tut.
 
4.
Was ist´s für eine Fahne , die dort so stolz und klar
Sich durch die Lüfte breitet, als wie ein hehrer Aar?
Jungfräulich ist die Fahne, zum Danebrog benannt,
Als erstes Ehrenzeichen den Dänen wohl bekannt.
Wer ist die holde Jungfrau, die aus der Schanze steigt,
Schön wie ein Engel Gottes, der sich vom Himmel neigt,
Und , Trost und Heil zu bringen, herab zum Schlachtfeld kam? -
Sie ist dem Preis des Sieges das erste Opferlamm!
Sie hat, als alle Herzen der Überfall erschrecket,
Zuerst in allen wieder die Hoffnung neu geweckt;
Sie hat zu ew´gen Tagen sich Gott dem Herrn geweiht
Und dann uns vorgetragen die Fahne in dem Streit.
Wie stürzt sie in die Feinde! Wie wiechen deren Reihn!
Vom Danebrog die Fahne, sie muß die ihre sein!
Sie hat sie schon errungen und schwingt sie hoch empor
Da sprengt mit einem Male die Dänentrupp hervor:
Die tapfern Streiter ziehen das reine blanke Schwert;
Sie zücken´s auf die Jungfrau; die ist nur leicht bewehrt;
Da stürzt in ihre Mitte als wie ein Wirbelwind
In abgefallne Blätter ein Jüngling pfeilgeschwind.
Der Jüngling hat bescheiden zur Jungfrau sich gewandt,
Er will vom Platz sie führen und beut ihr seine Hand.
Da sinkt er plötzlich nieder - wie fließt sein Blut so rot;
Ein Lanzenstoß von hinten bracht ihm den bittern Tod.
Die Jungfrau hat sich weinend auf ihn herabgeneigt,
Er hat die Hand ergriffen, die sie ihm freundlich reicht:
"Dich hab´ ich stets geliebet und hab´ es nie gesagt;
Im Augenblick des Todes sei es zuerst gewagt!
Dich konnt´ ich nie erwerben, doch war mir das kein Fluch,
Ich durfte für dich sterben, und das ist mir genug!"
Da schließt er seine Lippen und röchelt noch einmal -
Und hin ist seiner Wunde und seiner Liebe Qual.
Die Jungfrau nimmt die Fahne; allein sie senkt sie tief;
Als wie zum Trauerzeichen dem Toten, der entschlief;
Sie kehret in die Schanze und hängt die Fahne auf,
Läßt den verhalt´nen Tränen alsdann den freien Lauf.
 
5.
Drei Stunden hat´s gedauert, da heißt´s: "Gelobt sei Gott,
Der unsrer Feinde Dräuen gewandt zu ihrem Spott!"
Da teilen sich die Wolken; die Sonne scheint herab
Auf all der vielen Dänen und Holsten rumlos Grab.
Der könig un der Herzog, die haben aus der Schalcht
Mit wenigen Gefährten sich auf die Flucht gemacht:
Das Schwert hätt´ sie getreffen, doch das war übermatt;
Die Flut hätt´ sie verschlungen, doch die war übersatt:
Was hat am andern Tage an Silber und an Gold;
An Waffen und an Kleidern das Schlachtgefild gezollt!
Man fand gar viele Ketten, Dithmarschern zugedacht;
Sie drin zur Schau zu führen nach der errungnen Schlacht!
Und wär´ der Marscher eitel und wollt´ er diesem Tag
Ein prächtig Denkmal bauen, wie es sich ziemen mag,
So dürft´ er um den Marmor nicht erst in fernes Land -
Im königlichen Lager ist er genug zur Hand.
Doch recht, du guter Streiter, was frommt ein schmucker Stein?
Dir selber wird der Tag ja wohl un vergeßlich sein,
Und daß den den ruhmgekrönten mit dir die Fremde kennt,
Hast du auf zweien Thronen ein lebend Monument!
Man hat seit diesem Tage ein Sprichwort klein und schlicht:
Kein Holste hat´s erfunden, der Dän´ verbreit´s nicht,
Und dennoch drang es weit hin, und dennoch klang es sein:
"Die Dithmarscher wären Bauern? Sie mögen Herren Sein!"
 
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helden.htm/hebbel (c) 1997 Hebbel-Museum Wesselburen last update 22May1997